Geschichte eines verfolgten Volkes

Judentum im Altertum

Juden im Altertum Juden und Christen Neuzeit

Juden und andere semitische Völker

Die Juden (auch Hebräer oder Israeliten gennant) sind ein Volk, das kulturgeschichtlich zusammen mit den Arabern (ihren heutigen Erzfeinden) eine Gruppe bildet, deren Sprachen grosse Ähnlichkeit aufweisen, sich aber von anderen, etwa den europäischen, afrikanischen oder ostasiatischen Sprachen stark unterscheiden. Die Einteilung der Sprachen in solche Sprachfamilien ist für das Verständnis der einzelnen Sprachen und der dahinter stehenden Kulturen sehr nützlich, wurde aber leider in der Geschichte häufig missbraucht, um Menschen nur ihrer Herkunft willen zu diskriminieren [benachteiligen] oder gar zu verfolgen. Wenn von Antisemitismus im europäischen Kulturkreis (Europa und Nordamerika) gesprochen wird, dann meint man damit die Diskriminierung bzw. Verfolgung von Juden.

Kurze Geschichte des jüdischen Volkes: Altertum

Die Anfänge: Kleinstaatlichkeit zwischen Grossreichen

Die Juden haben als zahlenmässig kleines Volk eine sehr bewegte Geschichte erlebt. Ihre ersten Spuren findet man - übereinstimmend mit der Überlieferung ihres Heiligen Buches, der Bibel (aus christlicher Sicht: des Alten Testamentes) - im fruchtbaren Land zwischen den Flüssen Euphrat und Tigris (heute Irak). Ihr Ahnvater Abraham (der übrigens auch für die Araber als Ahnvater gilt!) zog dann nach Palästina und liess sich dort nieder. Einige Generationen später wurden seine Nachkommen durch eine längere Dürreperiode nach Ägypten getrieben, wo man sie als Flüchtlinge versklavte. Ihre Flucht aus Ägypten unter dem charismatischen Führer Mose markiert auch eine neue religiöse Erfahrung, die in dieser Form einigermassen quer in der damaligen religiösen Landschaft der Antike stand - aus heutiger europäischer Sicht: ihr um Jahrhunderte voraus war. Streng geschichtlich betrachtet, setzte sich das Volk, das sich als Israeliten bezeichnete, aus verschiedenen Stämmen zusammen, von den wahrscheinlich nur einer mit Mose unterwegs war. Die anderen übernahmen aber von diesem Stamm Religion und Recht. Über die Einzelheiten dieses Vorganges, der Jahrhunderte dauerte, streiten sich die Gelehrten.

Der Kleinstaat Israel (Hauptstadt Jerusalem, Grenzen in etwa heutiges Israel plus die vom heutigen Israel besetzten Gebiete der "Westbank") war zwischen den Grossmächten Äegypten und den aufeinander folgenden Reichen im Zweistromland (Sumerer, Assyrer, Babylonier, Perser und Meder) stets gefährdet und konnte kurzzeitig aufblühen, wenn diese durch innere Krisen erschüttert wurden. Israel selbst zerfiel nach der glanzvollen Zeit der Könige David (1004 - 965 v. Chr.) und Salomo (997 - 926 v. Chr.) in die Teilreiche Nordisrael (Hauptstadt Samaria) und Juda (Hauptstadt Jerusalem).

Von Grossreichen unterworfen und ins Exil verbannt

Nordisrael konnte seine Unabhängigkeit weniger lange bewahren als Juda, es wurde von den Assyrern 721 v. Chr. unterworfen. Juda musste Assyrien zwar Abgaben zahlen, konnte aber seine Unabhängigkeit wahren, bis die Babylonier die Assyrer von der Macht verdrängten. Juda weigerte sich, den babylonischen König als Gott zu verehren (ausserhalb Israels eine allgemein verbreitete, sozusagen normale religiöse Praxis). Diese Weigerung führte in zwei Kriegen 598 und 587 v. Chr. zur Zerstörung Jerusalems und zur Deportation [Verschleppung] eines grossen Teils der Bevölkerung (Oberschicht, Handwerker) nach Babylon. Die Babylonier hofften die Juden dort besser kontrollieren zu können. In Palästina blieben jüdische Bauern ohne politische und religiöse Führer zurück, zusätzlich siedelten die Babylonier andere Volksgruppen an.

Innere und äussere Machtkämpfe: Multikulti oder Tradition

Unter der nachfolgenden Herrschaft der Perser durfte ein Teil der Juden um 538 v. Chr. aus Babylon nach Israel zurückkehren, Jerusalem und sein Tempel wurden wieder aufgebaut. Die Perser und nach ihnen der mazedonische (ostgriechische) König Alexander der Grosse (336-323 v. Chr.) waren religiös einigermassen tolerant. Viele Juden siedelten sich im griechisch beherrschten Mittelmeerraum an, die Bibel (aus christlicher Sicht: das Alte Testament) wurde vom Hebräischen ins Griechische übersetzt, ein kultureller Austausch blühte auf. Fast sah es so aus, dass die Juden als eine von vielen Kulturen in ein multikulturelles Weltreich integriert würden. Die Nachfolger Alexanders teilten das Grossreich nach heftigen Kämpfen unter sich auf (Griechenland, Syrien/Vorderasien: Seleukiden, Ägypten: Ptolemäer). In Palästina und Ägypten wurde den Juden unter den Ptolemäern Religionsfreiheit zugestanden.

Die Seleukiden eroberten Palästina 198 v. Chr. und unterstützten die jüdische Religionsgemeinschaft zunächst weiter. Soziale Spannungen führten aber zu bürgerkriegsähnlichen Verhältnissen, die Partei der Hellenisten [Freunde griechischer Kultur] setzte sich durch. Die Tora [hebräisch: Gesetz = erste fünf Bücher der Bibel] wurde als Verfassungsgrundlage aufgehoben und die rechtliche Stellung eines Teils der Bevölkerung verschlechtert. Als König Antiochus IV. (175 - 164 v. Chr) nach einem Feldzug in Ägypten einen Teil des Tempelschatzes in die Staatskasse abzweigte, kam es zu Aufständen jüdischer Traditionalisten gegen die griechenfreundliche Oberschicht. Antiochus fasste dies als Rebellion gegen seine Herrschaft auf, unterdrückte den Aufstand blutig und verwandelte den jüdischen Tempel in ein Heiligtum für griechische Götter. (Fohrer Georg, Geschichte Israels, Heidelberg 1979, S. 223f.)

Als man auch noch versuchte, alle Einwohner zu Opfern im nun griechischen Tempel zu zwingen, organisierte der Priester Mattatias aus der Sippe der Hasmonäer den bewaffneten Aufstand. Nach seinem Tod übernahm sein Sohn Judas Makabäus ["Hammer"] die Führung. 164 v. Chr. besetzten die Aufständischen den Tempel und richteten dort wieder den alten jüdischen Kult ein. Für einen Teil der Bewegung, die Chasidim [hebräisch: die Frommen] war das Ziel der Religiosfreiheit damit erreicht. Die Hasmonäer setzten den Kampf fort, bis die Seleukiden den letzten Sohn des Mattatias als Hoherpriester und selbständigen Fürsten anerkennen und 140 v. Chr. die Besatzungstruppen abziehen mussten. (Fohrer, a.a.O, S. 225; vgl. in der Bibel die beiden Bücher der Makkabäer).

Israel zur Römerzeit

Der allmähliche Zerfall des Seleukidenreiches begünstigte Eroberungen der Hasmonäer. Zugleich entstand aber im Innern aus den Chassidim die neue, religiöse Oppostionspartei der Pharisäer [hebräisch = die Abgesonderten]. Als gebildete Laien traten sie in Gegensatz zu der priesterlich - adligen Oberschicht der Sadduzäer [von hebräisch Zadok = der Gerechte, Hohepriester zur Zeit Davids und Salomos, und der von ihm abstammenden Priesterfamilie der Zadokiden]. Während die Sadduzäer allein Tempelkult und den damals bereits endgültig fixierten Wortlaut der Bibel gelten lassen wollten, betonten die Pharisäer die Wichtigkeit der mündlichen Tradition, der persönlichen Frömmigkeit und von regelmässigen Predigtgottesdiensten am eigenen Wohnort unabhängig vom Opferkult im Tempel.

Die Römer dehnten ihren Einfluss auf den Mittelmeerraum aus und lösten die Griechen als Weltmacht ab. Als die Brüder Hyrkan und Aristobul II. um die Nachfolge stritten und 63 v. Chr. den römischen Statthalter Pompejus in Syrien als Schiedsrichter anriefen, verlangte eine Delegation aus dem jüdischen Volk, dass die Macht der Hasmonäer auf das religiöse Amt des Hohenpriesters beschränkt werde. Die Römer bestätigten Hyrkan als Hoherpriester, und setzten einen nichtjüdischen König (Familie der Herodianer) ein, der ihnen Steuern abliefern musste. Damit war "die makkabäische Bewegung an der Willkür der aus ihren Reihen stammenden hasmonäischen Herrscher gescheitert." (Fohrer, a.a.O., S. 227) Die Römer dehnten ihre Macht immer weiter nach Norden und Osten aus und organisierten in der Folge ihr Reich nach innen straffer (Kaiser auf Lebenszeit statt gewählte Konsuln mit Amtszeit, stärkere Kontrolle der von ihnen abhängigen autonomen Gebiete).

In eben dieser Zeit lebte der Stifter der christlichen Religion, Jesus von Nazareth. Aus jüdischer Sicht war er ein Rabbi [Religionslehrer], der mit seinen Schülern und Anhänger wie viele andere (pharisäische) Rabbis umherzog. Den Römern erschien er wegen seiner grossen Anhängerschaft, die in ihm den von den Propheten angekündigten Messias [Retter, König] sahen, sehr verdächtig. Sie kreuzigten ihn - nach römischem Recht die Strafe für Aufständische bzw. nach modernem Sprachgebrauch Terroristen. Auf dem Kreuz stand bekanntlich I.N.R.I = Iesus Nazarenus Rex Iudaorum [lateinisch: Jesus von Nazareth, König der Juden], was die römische Einschätzung klar ausdrückt. Die Priesterschaft hatte richterliche Befugnisse zur Beurteilung kleinerer Vergehen, war gemäss der geltenden Ordnung für schwere Verbrechen aber nicht zuständig und überliess deshalb den Fall dem römischen Statthalter. Die tendenziöse Berichterstattung der christlichen Bibel (Neues Testament) verschleiert diese Tatsachen ziemlich. Die jahrhundertelang von den Kirchen verbreitete Behauptung, "die Juden" (also das ganze Volk) seien am Tod von Jesus schuld, ist somit eine klassische Geschichtslüge.

Im Jahr 44 n. Chr., rund ein Jahrzehnt nach der Hinrichtung Jesu, starb der letzte herodianische König. Die Römer gliederten Palästina ganz in ihr Verwaltungssystem ein. In der Folge kam es während rund hundert Jahren zu mehreren Aufständen jüdischer Nationalisten. 66 n. Chr. gelang der jüdischen Guerilla-Bewegung der Zeloten ["Eiferer"] unter Simon Bar Giora kurzzeitig die Errichtung eines unabhängigen Staates, aber 70. n. Chr. wurde Jerusalem vom römischen Kaiser Titus erobert und zerstört. In den Kämpfen und durch die anschliessenden Hinrichtungen fanden rund 600'000 Juden (ein Viertel der Juden in Palästina) den Tod. 130 n. Chr. wollte Kaiser Hadrian auf den Trümmern des Tempels einen Jupitertempel errichten, das löste den zweiten jüdischen Aufstand (132 - 135 n. Chr.) unter Simeon Ben Koseba (Bar Kochba) aus. Die Römer vertrieben daraufhin sämtliche Juden aus Palästina und verkauften sie als Sklaven in alle Teile ihres Reiches.

Seither leben die Juden in der Diaspora [griechisch: Zerstreuung] in den Ländern des Nahen Ostens und Europas, viele wanderten mit den europäischen Siedlern auch nach Amerika aus. Bis zum Zusammenbruch des römischen Reiches verstrich so viel Zeit, dass sich in Palästina längst arabische Stämme angesiedelt hatten. In Palästina lösten arabische Reiche die Herrschaft der Römer ab. Den Juden blieb die Rückkehr in ihre Heimat verwehrt. Dies änderte sich erst, als das Osmanische Reich nach dem Ersten Weltkrieg zusammen brach. Damit wurde es den Juden möglich, die Ende des 19. Jahrhunderts als Reaktion auf den Antisemitismus entstandene zionistische Idee umzusetzen. Die Rückkehr von Juden nach Palästina verstärkte sich ab 1933 unter dem Eindruck der nationalsozialistischen Judenverfolgung. 1939 war bereits ein Drittel der Bevölkerung Palästinas jüdisch. Ab 1936 kam es zu bewaffneten Konflikten zwischen Juden und Arabern. 1947 beschloss die UNO gegen den Protest der Araber die Teilung Palästinas, es kam zur Gründung des modernen Staates Israel und in der Folge zum 1. Nahostkrieg zwischen Israel und den Arabern.



Zum Beginn

Juden und Christen

Neuzeit

Zunächst waren die Christen eine kleine Sekte [Splittergruppe] innerhalb der jüdischen Religionsgemeinschaft. Dies änderte sich mit der Tätigkeit des Apostels Paulus. Paulus überzeugte in Kleinasien [heutige Türkei] und Griechenland viele Nichtjuden vom christlichen Glauben. Zu dieser Zeit gab es auch andere Griechen, die den jüdischen Glauben annahmen. Neu bei Paulus war, dass er den Griechen sagte, gewisse äussere Zeichen der Zugehörigkeit zum Judentum (Beschneidung, Verzicht auf Schweinefleisch) seien nicht wichtig. Darüber geriet er in Streit mit den Christen jüdischer Herkunft (sogenannte Judenchristen) in Jerusalem. (Bibel, Apostelgeschichte Kap. 15 vgl. aus leicht abweichender Sicht: Paulus, Galaterbrief, Kap. 2) Mit dem Untergang Jerusalems und der Zerstreuung der Juden in die Diaspora wurde auch die Gruppe der Judenchristen zerstreut und verlor im Christentum an Einfluss.

Umgekehrt wurde mit der Zerstörung des Tempels die Tempelpriesterschaft bedeutungslos und die Gruppe der Pharisäer (Juden, die ihre traditionellen religiösen Vorschriften besonders ernst nahmen) zur wichtigsten Gruppe innerhalb der jüdischen Religionsgemeinschaft. Darüber kam es zum endgültigen Bruch zwischen Juden und Christen. Der "christliche Teil" der Bibel (das sogenannte "Neue Testament") entstand weit gehend in der Zeit zwischen der ersten Zerstörung Jerusalems durch die Römer 66 n. Chr. und der definitiven Zerstörung 135 n. Chr. und ist geprägt von den Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern des Paulus und den Pharisäern. Deshalb enthält es auch sehr viel Polemik [von griech. polemos = Krieg: scharfe, wenig sachbezogene Aussagen] gegen die Pharisäer oder die Juden allgemein. Man versteifte sich immer mehr auf die unterschiedlichen Auffassungen und verlor dabei das Gemeinsame (gegenüber der heidnischen Umwelt und inbesondere dem römischen Staat) aus den Augen. Die Kritik am römischen Staat wurde wenn schon nur sehr versteckt oder gar verschlüsselt formuliert (z.B. im letzten Buch der Bibel, der so genannten Apokalypse oder "Offenbarung des Johannes" - man lese dort Babylon = Rom). Dieses Erbe prägte und belastete nun das Verhältnis von Juden und Christen in Europa während zwei Jahrtausenden.


Diskriminierung der Juden und Antisemitismus in Europa vom Mittelalter bis heute.

Literatur und Links zur Geschichte des jüdischen Volkes


© 2003 Markus Jud, Luzern Letztes Update: 1.8.2003
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