Geschichte des 20. Jahrhunderts

Der Völkerbund (1920-1946)

Vom Westfälischen Frieden 1648 bis zum Ersten Weltkrieg hatte Europa versucht, die Hegemonie [Vormachtstellung] einer einzelnen Grossmacht durch ein Gleichgewicht der Mächte und verschiedenste Bündnissysteme zu verhindern. Sowohl zur Zeit Napoleons wie im Ersten Weltkrieg versagte dieses Prinzip. Deshalb stellte US-Präsident Wilson (Nobelpreis 1919) im Jahr 1918 einen 14 Punkte-Plan vor. Unter anderem sollte ein Völkerbund (weltweite überstaatliche Organisation) künftige Kriege verhindern. Kriege wurden nicht mehr als legitime (rechtmässige) Mittel zur Durchsetzung eigener Interessen betrachtet, sondern als Unrecht erklärt. 1928 wurde dieses Prinzip formell im Briand-Kellogg-Pakt [Aristide Briand 1862-1932, franz. Aussenminister und mehrfach Premierminister, Friedensnobelpreis 1926; Frank Billings Kellogg 1856-1937, US-Aussenminister, Friedensnobelpreis 1929] von 54 Staaten (u.a. auch Deutschland) anerkannt.

Ab 1920 wurde einmal jährlich eine Völkerbundsversammlung einberufen, in der jeder Mitgliedsstaat eine Stimme hatte, ein Völkerbundsrat mit den ständigen Mitgliedern Grossbritannien, Frankreich, Italien und Japan, später auch Deutschland und nach dessen Austritt 1933 die UdSSR [Union der sozialistischen Sowjet-Republiken = Selbstbezeichnung Russlands unter der kommunistischen Herrschaft] sowie neun nicht ständigen Mitgliedern tagte häufiger. Weil mit wenigen Ausnahmen für Beschlüsse Einstimmigkeit gefordert wurde (wobei sich streitende Parteien der Stimme enthalten mussten), war der Völkerbund vielfach blockiert. Ein ständiges Generalsekretariat mit einem Generalsekretär (Sitz: Genf), der seit 1899 bestehende Internationale Gerichtshof (in Den Haag NL, Schiedsspruch bei Streitigkeiten zwischen Staaten) und das Internationale Arbeitsamt (zur Arbeitsgesetzgebung, Sitz Genf) sowie die Möglichkeit, wirtschaftliche und militärische Sanktionen [Strafmassnahmen] (mit 2/3-Mehrheit) zu beschliessen und Kontrollen zur Einhaltung der Abrüstungsbestimmungen der Pariser Verträge sollten Erhaltung des Friedens und den Schutz nationaler Minderheiten garantieren. Nach einigen erfolgreich geschlichteten Streitfällen in den frühen 1920'er Jahren versagte das System allerdings in den 1930'er Jahren beim Einfall Japans in die Mandschurei (China) 1931, beim Überfall Italiens auf Abessinien (heutiges Äthiopien), beim Angriff der UdSSR auf Finnland und bei der deutschen Wiederaufrüstung unter Hitler. Die USA traten dem Projekt ihres Präsidenten gar nie bei (das Parlament verweigerte ihm die Gefolgschaft), Deutschland trat 1933 aus, Italien 1937, die UdSSR wurde ausgeschlossen und von ursprünglich 63 Mitgliedsstaaten, darunter die Schweiz, traten 13 weitere bis 1939 aus dem Völkerbund aus.

Der Völkerbund wurde 1946 durch Beschluss der Völkerbundversammlung aufgelöst. Es ist offensichtlich, dass die UNO [United Nations Organization, Vereinte Nationen] nichts anderes darstellt als eine Wiederauflage der gleichen Idee mit geringfügigen Veränderungen. Der Internationale Gerichtshof, das Internationale Arbeitsamt (später in ILO=International Labour Organization umbenannt), weitere Nebenorganisationen zur wirtschaftlichen und technischen Zusammenarbeit und der Völkerbundssitz in Genf leben im Rahmen der UNO weiter.<


© 2003-2004 Markus Jud, Luzern Letztes Update: 11.2.2004
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