Europäische Geschichte

Der Investiturstreit

Im Mittelalter fanden tiefgreifende gesellschaftliche Umwälzungen statt. Treibende Kräfte waren die fränkischen Könige mit ihrer Grossmachtpolitik, die Adligen und die Kirche, die einerseits im Machtgerangel der Adligen kräftig mitmischte, gleichzeitig aber auch Hüterin der Kultur allgemein und der biblischen Tradition im besonderen war. Das konkrete Handeln der Kirchenfürsten orientierte sich allerdings oft mehr an ihren Machtgelüsten als an der Bibel.

Ottonenkaiser setzen Bischöfe als Fürsten ein

Der aus Sachsen stammende deutsche König Otto I. versuchte, die Macht der Herzöge zurück zu binden. 938 kam es zum Aufstand, doch Otto setzte sich durch. Um seine Macht zu festigen, setzte er nahe Verwandte als Herzöge ein und verlieh den hohen Geistlichen (Bischöfen und wichtigen Äbten) weltliche Lehen und die gleichen Rechte wie den Herzögen. Dabei stütze er sich auf die bestehende Praxis, dass der König die hohen Geistlichen in ihre Ämter einsetzte. Die Kirchenmänner waren nicht verheiratet und hatten anders als die Grafen und Herzöge keinen Anlass, für ihre Erben möglichst grosse Herrschaftsgebiete zu erwerben. Dazu waren sie besser ausgebildet als die Adligen und geschickter in Verwaltungsangelegenheiten. Nach ihrem Tod musste der König keine Erben berücksichtigen, sondern konnte einen ihm passenden Nachfolger einsetzen. Bald schon stellten die geistlichen Fürsten rund drei Viertel der Ritter in Ottos Armee. Dem Beispiel Ottos folgte auch König Rudolf III. von Burgund.

Otto griff nach den Erfolgen gegen die Aufständischen und gegen die Ungarn in die wirren Verhältnisse in Oberitalien ein: ein Graf hatte die junge Witwe des Königs gefangen genommen und die Herrschaft an sich gerissen. Otto besiegte den Grafen, befreite die Königin, heiratete sie und wurde so selbst König von Oberitalien. Wenige Jahre später rief der Papst Otto zu Hilfe. Dieser Zug führte zur Krönung Ottos als Kaiser. Auch seine Nachfolger stützten sich auf die Fürstbischöfe und verstanden sich als Beschützer der Kirche.


Bemühungen um eine Kloster- und Kirchenreform

Im 9. Jahrhundert ging die religiöse Ernsthaftigkeit in den Klöstern zurück, letztlich eine konsequente Folge der Funktion als grosszügig gesponsorte Versorgungsanstalten für überzählige Nachkommen aus Adelshäusern. Vom 910 gegründeten Kloster Cluny (70 km nördlich von Lyon, Burgund) ging eine starke Reformbewegung aus. Auch Kaiser Heinrich III. (1039 - 1056) bemühte sich um eine Kirchenreform, die Abschaffung der Käuflichkeit von kirchlichen Ämtern und die Ehelosigkeit der Priester (Zölibat). Noch 1046 beendete er ein Schisma (Kirchenspaltung), setzte kurzerhand alle drei rivalisierenden Päpste ab und ernannte selbst einen Papst.

Als aber Heinrich III. starb und einen erst sechsjährigen Thronfolger hinterliess, verbündeten sich geistliche und weltliche Fürsten gegen die Kaiserin, die für den unmündigen Sohn die Regentschaft führte, brachten den Knaben mit List in ihre Gewalt und verbannten die Kaiserin in ein Kloster. Nun übernahm ein Erzbischof die Regentschaft. Fürsten, Bischöfe und Papst gewannen auf Kosten des Kaisers an Macht.

Innerhalb der Kirche führte die Reform zur Stärkung des Papsttums und grösseren Machtansprüchen. Damit waren aber die Bischöfe im oströmischen Reich nicht einverstanden. 1054 kam es darüber zum Grossen abendländischen Schisma, der Trennung zwischen der katholischen Kirche (Westeuropa) und den orthodoxen Kirchen im Osten (Russland, Griechenland, Palästina). 1059 erliess Papst Nikolaus II. eine Papstwahlverordnung, die den Einfluss des römischen Adels und des deutschen Kaisers ausschaltete. Fortan wurden die Päpste von Kardinalbischöfen gewählt, die ihrerseits vom Papst ernannt wurden.


Der Machthunger des Reformpapstes Gregor VII.

Papst Gregor VII. (1075 - 1085), ein ehemaliger Mönch, versuchte die Missstände in der Kirche zu beheben. 1075 erhob er in seinem Edikt "dictatus papae" Anspruch auf die alleinige Regelung kirchlicher Belange. Damit stellte er sich frontal gegen die Politik der deutschen Könige, Bischöfe als geistliche Fürsten zu ernennen um ein politisches Gegengewicht zu den weltlichen Fürsten zu schaffen. Das Edikt enthält in Artikel 22 auch eine Erklärung der "Unfehlbarkeit der Kirche". Mit diesem arroganten Machtanspruch ging er den entscheidenden Schritt zu weit - und schuf sich Reformgegner, die nun auch sinnvolle Neuerungen bekämpften.

Nicht mit Papst Gregor VII. zu verwechseln:
- Papst Gregor I. (*540, Papst 590-604), Förderer der Kirchenmusik (Gregorianik)
- Papst Gregor XIII. (*1502, Papst 1572-1585), verantwortlich für die Kalenderreform von 1582 (Gregorianischer Kalender)
  Förderer der kath. Gegenreformation und der Jesuitenmission in China

Als kurz darauf König Heinrich IV. nach alter Tradition einen Bischof von Mailand ernannte, belegte ihn der Papst mit dem Bann und erklärte, die Untertanen seien nicht an Treueeide gegenüber Heinrich IV. gebunden. Durch den Bussgang nach Canossa (Italien) erreichte Heinrich IV. anfangs 1075 die Aufhebung des Bannes, trotzdem wurde im März sein Erzrivale Graf Rudolf von Rheinfelden, Herzog von Schwaben, von den deutschen Fürsten zum Gegenkönig gewählt. Dies löste einen Bürgerkrieg aus. Heinrich besiegte den Gegenkönig 1080 und zwang Papst Gregor 1084 zur Abdankung. Letztlich blieb aber der Papst Sieger in diesem Machtkampf um die Einsetzung (Investitur) der Bischöfe.



Literatur und Links zur Geschichte im Mittelalter:


© 2003-2004 Markus Jud, Luzern Letztes Update: 14.2.2004
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