Europäische Geschichte

Französische Revolution 1789

Wie jede Revolution war auch die Französische Revolution eine Reaktion breitester Bevölkerungskreise auf eine Regierung, die sich trotz absoluter politischer Machtfülle als völlig unfähig (oder unwillig) erwiesen hatte, das Land im Sinne des Allgemeinwohls vernünftig zu regieren. Und wie bei fast jeder Revolution hatten die Revolutionäre statt einem wohldurchdachten neuen Regierungsprogramm nur einige unausgereifte Ideen bereit und waren dazu noch unter sich heillos zerstritten. Es folgte - das ergibt sich zwangsläufig aus den vorher genannten Problemen - zunächst eine Phase der Anomie [Gesetzlosigkeit, Chaos]. Als das Volk davon genug hatte, war es bereit, eine neue Alleinherrschaft (Militärdiktatur von Napoleon) als das kleinere Übel zu dulden.


Vorgeschichte: Absolutismus in Frankreich

Glaubenskriege

In Frankreich wurden die Reformierten (Hugenotten) von katholischen Adligen verfolgt. Spanien mischte sich auf katholischer, England auf reformierter Seite ein. Die Glaubenskriege begannen 1562 zur Zeit des noch unmündigen Königs Charles IX., für den seine italienische Mutter Katharina v. Medici die Regentschaft führte. 1572 wurden in der Bartholomäusnacht 20'000 Hugenotten ermordet. Die Hugenotten leisteten erbitterten Widerstand. Viele Hugenotten flüchteten in die Schweiz, wo sie einen wichtigen Anteil an der wirtschaftlichen Entwicklung hatten. 1598 endlich erliess Henri IV. von Bourbon das Edikt von Nantes, in dem den Hugenotten eine gewisse Glaubensfreiheit und politische Gleichberechtigung zugesichert wurden.

Der Ruf nach Ordnung und starker Führung

Der französische Philosoph Jean Bodin (1530 - 1596) vertrat in den französischen Glaubenskriegen eine dritte Partei, und forderte in seiner Schrift "De la République" 1576 unter dem Eindruck der nicht endenden Morde und Kämpfe zwischen der katholischen und der hugenottischen Adelspartei einen Staat mit einer starken, zentralen Gewalt, die für Ordnung sorgen würde. Henri IV. und sein Nachfolger Louis XIII. (1610 - 1643) versuchten diese Idee des Absolutismus (alle Gewalt dem König) umzusetzen. Im 17. Jahrhundert stieg Frankreich durch geschickte Diplomatie und mehrere Kriege gegen Spanien und deutsche Fürsten zur Grossmacht auf und konnte seine Grenzen ausdehnen. Im Inneren entmachtete Kardinal Richelieu (1624 - 1642) als leitender Minister den Hochadel, setzte eine zentrale Verwaltung des ganzen Reiches durch königliche Beamte durch und hob die Rechte der Hugenotten wieder auf.

Beeindruckt von Frankreich, verfeinerte der englische Philosoph Thomas Hobbes (1588 - 1679) in seinem Werk "Leviathan" (1651) die Theorie von Bodin: Weil die Menschen von Natur aus zum Krieg aller gegen alle neigten, würden sie - aus reinem Selbsterhaltungstrieb - zu einem Vertrag gezwungen, in dem sie ihre natürlichen Rechte unwiderruflich dem Staat abtreten, der die Herrschaft über alle Untertanen absolut ausübt, am vollkommensten in einer Person, dem König.


Das Scheitern des Ancien Régime

Hohe Staatsverschuldung

Die französischen Könige hatten mit dem Absolutismus den Bogen überspannt:
Schloss Versailles: Spiegelsaal Mit einem riesigen stehenden (ständig einsatzbereiten) Heer, der Grossmachtpolitik im Spanischen Erbfolgekrieg (1701 - 1713) gegen den England und Deutschland / Österreich und mit luxuriöser Hofhaltung (Prunkschloss Versailles, erbaut 1624 - 1708) verschuldete sich Louis XIV. (1661 - 1715) massiv, unter Louis XV. (1715 - 1774) hielt die Verschwendung an. Im britisch - französischen Kolonialkrieg (1754 - 63) verlor Frankreich die nordamerikanischen Kolonien.

1685 wurde das Edikt von Nantes aufgehoben, das den reformierten Hugenotten in Frankreich Religionsfreiheit zugesichert hatte. Wieder flüchteten viele Hugenotten, vor allem in die Niederlande und nach Brandenburg (D), aber auch in die Schweiz. In Frankreich hinterliessen sie spürbare volkswirtschaftliche Lücken.

Merkantilismus

Finanzminister Colbert (1619 - 1683) entwickelte die erste staatlich gelenkte Nationalwirtschaft: Der Merkantilismus sollte dem absolutistischen Staat durch Zölle, direkte (Personen-) und indirekte (Verbrauchs-)Steuern die notwendigen Mittel verschaffen. Handel und gewerbliche Grossbetriebe (Manufakturen) wurden aktiv gefördert. Trotzdem verschuldete sich der Staat massiv, 1720 kam es ein erstes Mal zum Staatsbankrott. Ab 1770 glitt Frankreich in eine anhaltende Wirtschaftskrise ab. Kleinbürger und Bauern hatten unter einer erdrückenden Steuerlast und ab 1787 unter einer galoppierenden Inflation zu leiden, während der Adel und der Klerus (Priester und Klosterleute) steuerbefreit waren und die Höflinge in Saus und Braus lebten. Die Grossbürger waren zwar zu Wohlstand gekommen, hatten aber politisch keinerlei Einfluss. Die Teuerungswellen führten zu mehreren Hungerrevolten und dem Staat drohte wegen der hohen Schulden erneut der Bankrott: Der Absolutismus war an der Unfähigkeit der Könige gescheitert, die in sie gesetzten allzu hohen Erwartungen zu erfüllen.


Einberufung der Stände

So sah sich Louis XV. 1789 gezwungen, erstmals seit 1615 wieder die Vertreter der drei Stände ("Etats Généraux": Adel, Klerus [Geistliche], gewöhnliches Volk) einzuberufen. Zwar wurde dem 3. Stand doppelt so viele Vertreter zugestanden (was noch immer nicht dem wirklichen Bevölkerungsanteil entsprach), aber bei Abstimmungen sollte nicht die Anzahl der Vertreter, sondern die Anzahl der Stände ausschlaggebend sein. Das heisst, dass die Minderheit der Adligen und Geistlichen die Normalbürger immer hätte überstimmen können. Zudem hatte der König keinerlei Absicht, die Ständeversammlung über grundsätzliche Fragen entscheiden zu lassen, sie sollte einfach neue Steuern "absegnen".


Ausbruch der französischen Revolution 1789

Pariser Volksaufstand und Sturm der Bastille 14. Juli 1789

In dieser Situation erklärten sich die Vertreter des 3. Standes zusammen mit einem Teil des Klerus zur Nationalversammlung. Als der König ihre Auflösung befahl, erklärte sie sich zur verfassungsgebenden Versammlung. Der Pariser Volksaufstand vom 14. Juli 1789 (franz. Nationalfeiertag) mit dem Sturm auf die Bastille [Gefängnis für politische Gefangene, d.h. Leute, die keine Verbrechen begangen, sondern nur den König kritisiert hatten] zwang den König, die Nationalversammlung anzuerkennen.


Abschaffung der Feudalordnung, Bauernbefreiung

Noch im Juli breitete sich die Revolution auf das ganze Land aus, die Bauern stürmten und verbrannten die Schlösser und Klöster der Feudalherren und weigerten sich, weiterhin Abgaben zu zahlen. Am 4./5. August wurden die Privilegien (Sonderrechte) des Adels abgeschafft, die bisher unfreien und von Zinslasten geplagten Bauern wurden zu freien Grundeigentümern. Zahlreiche Hochadelige flohen ins Ausland. Am 5. Oktober zwang der Druck der Strasse ("Zug der Marktweiber nach Versailles") den Hof und die Nationalversammlung, ihren Sitz von Versailles nach Paris zu verlegen.


Die Menschenrechtserklärung

Am 27. August 1789 beschloss und verkündete die Natinonalversammlung die Erklärung der Menschenrechte und Bürgerrechte (in Anlehnung an die amerikanische Virginia Bill of Rights von 1776). Man wollte Schlagworte wie Freiheit, Gesetz, aber auch Widerstandsrecht gegen die Staatsgewalt klären. Da aber der bisherige Verlauf der Revolution nicht auf Einsicht und Vernunft basierte, sondern auf Gewalt und Strassenschlachten, standen auch die folgenden Jahre unter dem Zeichen von Gewalt statt der Menschenrechte.
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (heute aktuelle Fassung der UNO von 1948)


Enteignung der Kirche

Mit der Machtübernahme hatte die Nationalversammlung auch das Problem der leeren Staatskasse übernommen und musste eine Lösung suchen. Noch bevor man sich daran machte, die neue Verfassung gründlich zu diskutieren, wurde deshalb bereits im Herbst 1789 der umfangreiche Kirchenbesitz enteignet und zu Staatseigentum erklärt - übrigens auf Vorschlag des Bischofs Talleyrand, einem der wenigen Bischöfe, die in die Nationalversammlung gewählt worden waren.

Die Verstaatlichung des Kirchenbesitzes brachte dem Staat aber nicht das dringend benötigte Bargeld. Um schnell zu flüssigen Mitteln zu kommen, wurden so genannte Assignaten, d.h. Anteilscheine am verstaatlichten Kirchengut ausgegeben. Allerdings wurden schon bald mehr Assignaten gedruckt als der Wert des Kirchengutes betrug, und damit sank ihr Tauschwert: Es kam zur Inflation [Geldentwertung, steigenden Preisen] - wie immer, wenn eine Regierung versucht, das Loch im Staatshaushalt mit Hilfe der Notenpresse zu stopfen.

Zudem stellte sich ein anderes Problem: Das Kirchengut war nicht einfach angehäufter Besitz gewesen, sondern hatte den Lebensunterhalt der Pfarrer gesichert. Dafür musste nun der Staat sorgen. Nach dem Motto "Wer zahlt, befiehlt" wollte man die Priester zu Staatsbeamten machen und zu einem Treueeid auf die Verfassung zwingen. Der Papst verdammte diese bürgerliche Verfassung der Geistlichkeit und drohte allen Priestern die Exkommunikation [Ausschluss aus der Kirche] an, die den Eid leisten würden. Es kam zur Spaltung zwischen der Staatskirche (Eglise Constitutionelle, vor allem in den Städten) und der romtreuen Kirche (Eglise Réfractaire oder Eglise Romaine), die sich in ländlichen Gebieten halten konnte.


Die revolutionären Klubs (Vorläufer der Parteien)

Schon im Frühling 1789 begannen die Befürworter einer neuen Verfassung unter den Abgeordneten sich regelmässig zu treffen und ihre Ziele zu diskutieren. Ab Ende 1789 trafen sie sich in einem aufgehobenen Kloster der Dominikaner, die auch Jakobiner genannt wurden. Von daher nannte man sie bald Club der Jakobiner. Als Markenzeichen der Jakobiner galt die Kleidung des einfachen Volkes, die phrygische Mütze [Zipfelmütze] und die langen Hosen, während die Adligen culottes [knielange Hosen] trugen, man bezeichnete sie deshalb auch als Sans-culottes.

Zuerst war eine grosse Mehrheit der Nationalversammlung bereit, sich mit der Rolle der Legislative [gesetzgebende Gewalt] zu begnügen und dem König diejenige der Exekutive [ausführende Gewalt: Regierung / Verwaltung] zu überlassen. Doch schon bald spitzte sich der Konflikt mit dem König zu und nach dem missglückten Fluchtversuch des Königs 1791 forderte ein Teil der Abgeordneten die Republik [Staatsform ohne König / Adel]. Die Königstreuen unter Führung von Lafayette spalteten sich vom Jakobinerclub ab und nannten sich fortan Club des Feuillants.

Der Klub der Jakobiner war unter sich nochmals gespalten in die Montagnards [die "Bergler", das bezog sich aber nicht etwa auf ihre Herkunft, sondern auf ihre hochgelegenen Plätze im Parlamentssaal) und in die Brissotins [nach ihrem Führer Brissot], auch Girondisten genannt [nach der Herkunft einiger ihrer prominenten Abgeordeten aus der Region Gironde].

Noch weiter als die meisten Jakobiner wollten die Cordeliers gehen - auch ihr Name war von einem aufgehobenen Kloster (der Franziskaner) abgeleitet. Bekannte Cordeliers waren Desmoulins, Danton, Marat und Hébert - Namen die auch bei den Montagnards wieder auftauchen - die Clubs erlaubten also im Gegensatz zu den heutigen Parteien Doppelmitgliedschaften.

Die Cordeliers forderten nicht bloss eine republikanische, sondern eine demokratische Verfassung, d.h. nicht nur die Abschaffung des Königtums, sondern auch eine allgemeines und gleichwertiges Wahlrecht für alle Bürger - nicht bloss für die reichen Grossbürger. Man bemerkt die Parallele zu den USA: Dort heissen die beiden grossen Parteien seit der Staatsgründung von 1776 bis heute Republikaner und Demokraten - und wenn auch die Republikaner das allgemeine Wahlrecht heute nicht mehr bestreiten, so vertreten sie doch weitgehend die Interessen der Bessergestellten, während die Demokraten sich eher für die Interessen der Benachteiligten und Minderheiten einsetzen.

Im Gegensatz zu heute gehörte allerdings fast die Hälfte der Abgeordneten keinem der Clubs an, sondern war nach heutiger Bezeichnung parteilos bzw. unabhängig: die Indépendants. Oft schlossen sich die Indépendants bei Abstimmungen den Girondisten an, denen man grosse Redegewandtheit nachsagte.

Corde-liers
Jakobiner (Republikaner) Indépendants
(Unabhängige)

Feuillants
(Monarchisten)

Montagnards
(Zentralisten)
Girondisten
(Föderalisten)


Verfassung von 1791

Der Weg zur Verfassung von 1791 war von beinahe endlosen Streitigkeiten über die Ausgestaltung der staatlichen Institutionen, aber nicht zuletzt auch um die Verteilung der Macht geprägt.

Die Gemässigten unter Mirabeau und Lafayette setzten sich im Verfassungsstreit schliesslich 1791 nach fast zweijährigem Kampf mit ihrem Kompromissvorschlag durch:

Mirabeau diente dem König als Berater und kämpfte für ein möglichst weitreichendes Vetorecht des Königs. Mirabeau starb im Frühling 1791, sein Tod schwächte die Position der Monarchisten empfindlich. Der König geriet unter den Einfluss von Höflingen, die jede Verfassung ablehnten und versuchte im Juni 1791 aus Paris zu fliehen. Der Fluchtversuch misslang und der König wurde als Gefangener nach Paris zurückgebracht.

Erste Wahl der Nationalversammlung von 1791

Die verfassungsgebende Nationalversammlung löste sich selbst auf, ihre Mitglieder waren nicht mehr in die neue Legislative wählbar. Bei den Wahlen von 1791 ergab sich infolge des Wahlrechts (nur für steuerkräftige Grossbürger) eine deutliche Verschiebung zugunsten der grossbürgerlichen Republikaner (Girondisten und Unabhängige), während die königstreuen Feuillants und die radikal-demokratischen Montagnards nur wenige Abgeordnete stellen konnten. Der Gegensatz zwischen den radikalen Montagnards und den grossbürgerlichen Girondisten verschärfte sich.

Montag-nards
(Zentra-listen)
Girondisten
(Föderalisten)

Indépendants
(Unabhängige)

Feuil-lants
(Monar-chisten)


Krieg mit Österreich und Preußen

Die ins Ausland geflohenen französischen Adligen versuchten Österreich und die deutschen Fürsten zum Krieg gegen Frankreich anzustiften. Bei allen Differenzen waren sich Feuillants, Girondisten und Montagnards - wenn auch mit unterschiedlichen Gründen - darin einig, den Konflikt mit den konservativen europäischen Mächten militärisch auszutragen. Im April 1792 erklärte Frankreich Österreich (wohin die adligen Emigranten bevorzugt geflohen waren) den Krieg.

Der König Louis XVI. heuchelte Zustimmung, hoffte insgeheim aber darauf, dass die Revolution durch den Krieg untergehen würde. Die Königin Marie Antoinette verriet die französischen Kriegspläne an Österreich. Preußen trat wider Erwarten sofort auf der Seite von Österreich in den Krieg ein, Frankreich musste schwere Rückschläge einstecken, zeitweise war sogar Paris bedroht.

Die Marseillaise

Hauptmann Rouget de Lisle aus Straßburg komponierte den Chant de guerre pour l'Armée au Rhin. Im Sommer brachten Freiwillige aus Marseille dieses Lied nach Paris, wo es rasch unter dem Namen Marche des Marseillois bzw. la Marseillaise populär wurde. Dieses Kampflied der Revolutionäre wurde französische Nationalhymne.


Die Erste Französische Republik

Am 25. Juli 1792 drohte Herzog von Braunschweig, der Führer der revolutionsfeindlichen Truppen, den Revolutionären, insbesondere der radikalen Bevölkerung von Paris in einem Manifest öffentlich blutige Rache an. Der Konflikt zwischen Parlament und König brach mit aller Schärfe wieder aus, in Paris wuchs die Erregung der Bevölkerung gegen den König.

Die Pariser Kommune

In der Nacht vom 9. auf den 10. August 1792 stürzten die Montagnards gewaltsam die gemässigt - grossbürgerliche Stadtregierung von Paris und bildeten einen revolutionären Stadtrat ("Pariser Kommune").

Sturm auf die Tuilerien

Am 10. August 1792 stürmten Anhänger der radikalen Montagnards (die für die Abschaffung der Monarchie und ein allgemeines, vom Einkommen unabhängiges Wahlrecht eintraten) Luzern: Löwendenkmal das königliche Tuilerienschloss und metzelten die 800 Schweizergardisten nieder (Das Löwendenkmal in Luzern, 1821 gegen den heftigen Widerstand liberaler Schweizer errichtet, erinnert daran). Der König wurde abgesetzt, das Parlament aufgelöst und die grossbürgerlichen Girondisten aus dem Jakobinerclub ausgeschlossen.

Es zeigte sich damit, dass eine - formell korrekt gewählte - grosse Parlamentsmehrheit noch keine politische Stabilität garantieren kann, wenn sie nicht auf einer Volksmehrheit beruht, sondern auf einem ungerechten Wahlrecht, das einzelne Bevölkerungsgruppen bevorteilt (Grossbürger) und andere krass benachteiligt (Besitzlose).

Die Septembermorde

Während in Nordfrankreich der Krieg mit Österreich und Preußen tobte und Verdun von den fremden Truppen erobert wurde, liess der Justizminister der provisorischen Regierung, Danton, so genannte Volksgerichtshöfe bilden und rund tausend Anhänger des Königs ohne eigentlichen Prozess zum Tode verurteilen. Dieser ersten grauenhaften Mordwelle der Montagnards anfangs September fielen nicht nur Anhänger des Ancien Régime und Priester, sondern auch viele gemässigte Revolutionäre von 1789 (sogar Girondisten) zum Opfer. Viele Revolutionäre der ersten Stunde wie Lafayette und Talleyrand flohen ins Ausland.


Konvent und Ausrufung der Republik

Eine provisorische Regierung der Montagnards liess eine neue verfassungsgebende Versammlung, den Konvent wählen. Obwohl die Montagnards das Wahlrecht ausdehnten und die Bevölkerung mit Terror einzuschüchtern versuchten, erhielten sie bei den Wahlen in den Konvent nur in Paris eine Mehrheit. Die Provinzbevölkerung wählte fast ausschliesslich die föderalistischen Girondisten oder Unabhängige. Mit 110 statt bisher 30 von 749 Abgeordneten waren die Montagnards zwar wesentlich stärker als bisher vertreten, aber immer noch in der Minderheit. Sie konnten allerdings in Paris die Volksmassen mobilisieren. Die royalistischen [königstreuen] Feuillants versanken in die Bedeutungslosigkeit. Der Konvent beschloss am 22. September 1792 einstimmig die Abschaffung der Monarchie und erklärte Frankreich zur Republik.

Der Revolutionskalender

Mit der Ausrufung der Republik sollte auch eine neue Zeit anbrechen. Die Revolutionäre ersetzten den bisherigen römischen Kalender durch einen Revolutionskalender mit Monaten zu je 3 Wochen von 10 Tagen.

Die Hinrichtung des Königs Louis XVI.

Vier Monate lang stritt der Konvent darüber, wie mit dem abgesetzten König zu verfahren sei, schliesslich beschloss er mit 361:360 Stimmen die Todestrafe für den König, den man nun als "Citoyen Capet" bezeichnete. Am 21. Januar 1793 wurde er öffentlich hingerichtet. Im Sommer 1793 ereilte auch die Königin Marie-Antoinette das gleiche Schicksal.

Der erste Koalitionskrieg

Die Hinrichtung des Königs löste in den Monarchien Europas helles Entsetzen aus, sie bildeten eine breite Koalition [Bündnis] gegen die "königsmörderische Republik". Grossbritannien, die Niederlande, Spanien, Portugal, Piemont, Sardinien und Neapel traten an der Seite Österreich-Ungarns und Preußens in den Krieg gegen Frankreich ein. Zunächst verschlechterte dies die militärische Lage Frankreichs massiv.


Terror und Schreckensherrschaft 1793-1794

Bauernaufstände in Nordwestfrankreich

In Nordwestfrankreich (Vendée, Bretagne, Normandie) nutzten unzufriedene Bauern die Gelegenheit zu Aufständen. Die bedrohte Revolutionsregierung reagierte mit dem schärfsten Terror - und sie wurde von einer Mehrheit der unabhängigen Abgeordneten unterstützt, die den Girondisten eine konsequente Verfolgung der Aufständischen nicht zutraute.

Staatsstreich und Bürgerkrieg

Ende Mai 1793 führte die von den Montagnards beherrschte Commune von Paris [revolutionäre Stadtregierung] die Bevölkerung von Paris und die Pariser Nationalgarde vor den Sitzungssaal des Konvents, erzwang den Ausschluss von 29 führenden Girondisten und liess sie verhafteten - die übrigen flohen aus der Stadt. Fortan beherrschten die Montagnards den Konvent.

Konvents-Verfassung von 1793

Der von den Montagnards beherrschte Konvent erliess im Juni 1793 eine Verfassung nach deren Interpretation von absoluter Volksherrschaft, wobei man sich auf die Vorstellung einer "volonté générale" [allgemeiner Volkswille, nach Rousseau] berief.

Damit kam es aber erst recht zur Krise: die Aufstände im Nordwesten griffen nun auf Südfrankreich über, Girondisten und Royalisten griffen nun gemeinsam zu den Waffen und dazu drangen von allen Seiten die ausländischen Koalitionstruppen ins Land ein.

Der Wohlfahrtsausschuss

Ein zehnköpfiger Ausschuss des Konvents, das so genannte Comité du Salut Public [Wohlfahrtskomittee] sorgte für die Durchführung der vom Konvent beschlossenen Wirtschaftsmassnahmen: Höchstpreise, Zwangseintauschkurs für die Assignaten, Vermögenssteuern, Pflichtlieferungen der Bauern und einigermassen ausreichende Lebensmittelversorgung der Not leidenden Städte. Konventskommissare wurden vom Wohlfahrtsausschuss mit beinahe unbegrenzten Vollmachten ausgestattet, organisierten die revolutionären Armeen und übten in den von ihnen kontrollierten Gebieten einen gnadenlosen Terror aus.

Machtkämpfe unter den Revolutionären

Marat, einer der Führer des Staatsstreiches gegen die Girondisten, wurde von Charlotte Corday aus Caen, einer schwärmerischen Anhängerin der Gironde erstochen. Kaum hatten sich die radikalen Revolutionäre einigermassen etabliert, brachen im Sommer 1793 auch schon innere Macht- und Richtungskämpfe unter ihnen aus.

Club Cordeliers Jakobiner (Montagnards)
Führer Hébert Robespierre Danton, Desmoulins
Haltung und
Forderungen
Unklarer Frühsozialismus
Hass gegen die Reichen
Atheismus: Abschaffung
des Christentums
Gnadenloser Terror:
"Ausrottung aller Unwürdigen"
Versöhnung
Freilassung Verdächtiger
"Comité de Clémence" [Milde]

Danton, der Hauptverantwortliche für die Septembermorde von 1792, und Desmoulins waren zur Einsicht gekommen, dass das schreckliche Morden ein Ende finden müsse und verlangten die Freilassung der mehreren Hunderttausend politischen Gefangenen.

Hébert und die verbliebenen Cordeliers gefielen sich darin, Robespierre und die Jakobiner mit noch radikaleren sozialen Forderungen und vor allem einem militanten Atheismus zu übertrumpfen. Hébert versuchte das Christentum abzuschaffen und durch einen "Kult des höchsten Wesens" bzw. "Kult der Vernunft" zu ersetzen.

Bis 1794 wüteten die Jakobiner unter Robespierre mit ihrem revolutionären Terror. Im Sommer 1793 wurden täglich einige Todesurteile mit der Guillotine [Fallbeil] vollstreckt, im Mai 1794 durchschnittlich zehn pro Tag, im Juni dreissig und im Juli 1794 schon über fünfzig. Die Rechtsordnung zerfiel völlig. Auch Hébert und seine Anhänger wurden im März 1794 beseitigt und der Club der Cordeliers aufgelöst. Danton und die übrigen Kritiker der Schreckensherrschaft im April.

Die militärische Bedrohung durch das vereinigte Ausland erlaubte es den Revolutionären, nationale Gefühle der Bevölkerung zu mobilisieren und im August 1793 mit der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht viel grössere Armeen zu rekrutieren. Zudem wirkte die Aussicht, dass jeder einfache Soldat, der sich bewährte, in der Revolutionsarmee Offizierskarriere machen konnte, ungeheuer motivierend. Die Beförderung der Talentiertesten (anstelle der Adligen) und neue Kampftaktiken trugen ein übriges zum Erfolg der Revolutionstruppen bei: sie eroberten bis 1795 Belgien, die Niederlande und das ganze linke Rheinufer bis auf Mainz.


Der Thermidor-Staatsstreich

Als die Eroberung Belgiens durch die Revolutionsarmee die Gefahr von aussen gebannt hatte, brach die "nausée de la guillotine" (der Ekel vor den Hinrichtungen mit dem Fallbeil) voll durch, Robespierre wurde im Juli (nach dem Revolutionskalender: Thermidor [Hitzemonat] gestürzt und mit seinen engsten Freunden hingerichtet. Der Thermidor-Umsturz erwies sich als Wendepunkt der Revolution.

Die neuen Machthaber (Barras, Fouché, Sieyès, Carnot u.a. waren zwar alle Jakobiner und hatten selbst eifrig als "Schreckensmänner" gewütet, aber sie konnten den Stimmungsumschwung in der Bevölkerung nicht ignorieren. So wurde der Jakobinerclub verboten, die politischen Gefangen (v.a. Girondisten) freigelassen und wieder in den Konvent aufgenommen. Die wirtschaftlichen Zwangsmassnahmen (Höchstpreise, Assignatenzwangskurs) wurden aufgehoben. Damit brach allerdings die aufgestaute Inflation voll durch und die Schere zwischen Armen und Reichen öffnete sich immer mehr.

Bleibende Wirkungen der Jakobinerherrschaft

Bleibende Wirkung hatte die Einführung des streng nach Zehner-, Hunderter- bzw. Tausenderschritten aufgebauten metrischen Systems der Masseinheiten. Ausgenommen in den englischsprachigen Gebieten, die bei den alten, lokal uneinheitlichen und in ungeraden Verhältnissen zueinander stehenden Maßen und Gewichten verharrten, brachte das metrische System der Welt wesentliche Vereinfachungen in Handel und Wissenschaft. Auch wurde die Ecole Polytechnique, die erste Technische Hochschule der Welt gegründet. Während die Hébertisten viele Kunstdenkmäler zerstörten, bemühten sich einsichtigere Mitglieder des Konvents, zu retten was zu retten war: so enstand 1793 das berühmte Kunstmuseum Louvre.

Die Jakobiner führten die in der französischen Geschichte tief verwuzelte zentralistische Tradition konsequent weiter. Auch der Thermidor-Umsturz brachte keine Rückkehr zur regionalen Selbstverwaltung von 1791.

Militärisch führte Lazare Carnot, ein führendes Mitglied im Wohlfahrtsausschuss die allgemeine Wehrpflicht ein, ersann eine dafür geeignete Heeresorganisation und sorgte für die Auswahl der fähigsten als Kommandanten - ohne Rücksicht auf deren Herkunft. So wurde im Februar 1794 der erst 24-jährige Hauptmann Napoleon Bonaparte zum General befördert. Man sollte noch mehr von ihm hören ...


Direktorium

Erst im Herbst 1795 erliess der Konvent endlich eine neue Verfassung. Nun sollten sich Parlament (Legislative) und Direktorium (Exekutive, Regierung) durch ausgeklügelte Mechanismen gegenseitig kontrollieren und damit eine Wiederholung diktatorischer Zustände verhindern. Das Direktorium bestand ausschliesslich aus Umstürzlern vom Thermidor, war bestechlich und fällte willkürliche Entscheide, zudem musste es die Auswirkungen der in den Revolutionsjahren angestauten Inflation ausbaden: es war sehr unbeliebt. Schon kurz nach der Verabschiedung der Verfassung probten die Royalisten [Anhänger des Königtums] den Aufstand, er wurde von General Bonaparte niedergeschlagen. Im Frühling 1976 folgte eine Verschwörung der neuformierten Jakobiner

Militärisch blieb Frankreich erfolgreich, weil sich Preußen und Rußland darauf konzentrierten, ihr Gebiet auf Kosten Polens zu erweitern (drei Teilungen Polens 1772, 1793 und 1795). Um dafür freien Rücken zu haben, schloss Preußen im April 1795 in Basel einen Separatfrieden mit Frankreich und anerkannte die Rheingrenze (Elsaß französisch). General Napoleon Bonaparte eroberte erfolgreich Norditalien und schuf dort die Cisalpinische Republik als Satellitenstaat Frankreichs.

Fructidor-Staatsstreich

Noch während Napoleon eigenmächtig mit Österreich den Frieden von Campoformio aushandelte, schickte er einen Teil seiner Armee nach Paris, um einen Staatsstreich durchzuführen. Im Oktober (nach Revolutionskalender Fructidor [Erntemonat]) 1797 liess Napoleon beinahe 200 Abgeordnete und zwei Direktoren aus ihren Ämtern entfernen - teils konservative Royalisten, teils persönliche Gegner (u.a. Carnot).

Nun wollte Napoleon zum entscheidenden Schlag gegen England ausholen und weil er am Ärmelkanal keine Chance sah, eroberte er Ägypten. Doch der englische Admiral Nelson vernichtete 1798 die französische Flotte im Mittelmeer und schloss Napoleon mit seiner Armee in Ägypten ein.



Konsulat: Napoleon

Brumaire-Staatsstreich

Die regulären Neuwahlen von 1799 brachten massive Gewinne für die beiden gegensätzlichen Oppositionsparteien - für die Royalisten ebenso wie für die Neujakobiner. Das Direktorialregime konnte sich nur durch einen neuerlichen Staatsstreich an der Macht halten. Napoleon hatte seine Armee in Ägypten zurückgelassen und sich auf abenteuerlichen Wegen nach Frankreich durchgeschlagen - gerade rechtzeitig, um mit Sièyes und Fouché den Konvent unter Waffendrohung zur Aufhebung der Direktorialverfassung und zur Einführung des Konsulats zu zwingen. Nach römischem Vorbild (Cäsar!) sollte alle Macht auf drei Konsuln übertragen werden.

Die neue Konsulatsverfassung war noch kaum von einer Volksabstimmung abgesegnet, da wurde schon klar, dass der Premier Consul Napoleon Bonaparte nicht etwa die Marionette der beiden anderen war, sondern diese wie seinerzeit Cäsar überspielte. Die Diktatur war perfekt - und die Revolution hatte auf allerlei schrecklichen Umwegen die absolute Monarchie durch die absolute Militärdiktatur ersetzt. Folgerichtig liess sich Napoleon 1804 zum Kaiser krönen.





Literatur und Links zur Französischen Revolution:


© 2004 Markus Jud, Luzern Letztes Update: 8.2.2004
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